Zu
jeder guten Geschichte gehört eine Legende oder am besten mehrere.
Legende 1: Eigentlich verdanken wir diesen wunderbaren Märchen-Zyklus
nur der Zensur: Da der "Zauberer von Oz" nicht im Russland
des beginnenden 20. Jahrhunderts veröffentlicht werden durfte,
erzählte der russische Autor und Mathematiker Alexander Wolkow
in den vierziger Jahren die Geschichte kurzerhand nach.
Legende 2: Der russische Mathematiker Alexander Wolkow, hatte Ende
der 30er Jahre des 20. Jahrhundert gewettet, dass er in kürzester
Zeit einen Bestseller für Kinder schreiben könne. Er bediente
sich freimütig bei Baums "Zauberer von Oz" und schrieb
die Geschichte in freier Manier um.
Das eine schließt das andere nicht wirklich aus, aber was
nun wahr ist, bleibt wohl den Chroniken des Zauberlandes vorbehalten.
Fest steht: Die freie Wiedergabe der Abenteuer des Mädchens
Elli und ihrer Freunde im Wunderland wurde ein Millionenerfolg,
und der Zauber ist auch viele Jahre nach seinem Tod ungebrochen.
Als Alexander Wolkow 1977 starb, lagen 6 Bände vor, in denen
er gemeinsam mit dem Grafiker Leonid Wladimirski die Abenteuer des
Mädchens Elli und ihrer Freunde dem Scheuch, dem eisernen Holzfäller
sowie dem tapferen Löwen im Zauberland erzählte.
Der
Handlungsverlauf des ersten Buches lehnt sich eng an die Originalgeschichte
von Lyman Frank Baum an. Erzählt wird die Geschichte des Mädchens
Elli, das durch einen Sturm ins Zauberland verschlagen wurde und
sich dort gegen zahlreiche Gefahren und Schrecken behaupten muss,
um wieder nachhause zu gelangen. Das auf den ersten Blick paradiesische
Land mit ewigem Sommer und drolligen Geschöpfen entpuppt sich
mit der Zeit auch als düsterer und höchst gefährlicher
Ort, in dem böse Zauberer, Menschenfresser oder Säbelzahntiger
lauern. Bei ihren Abenteuern in dem aufregenden Reich lernt Elli
seltsame Völker, grünes, blaues, gelbes und rosa Land
und geheimnisvolle Paläste kennen und findet drei treue Freunde:
einen eisernen Holzfäller, eine mit Stroh gefüllte Vogelscheuche
und einen feigen Löwen. Jeder der ungleichen Gruppe hat ein
besonderes Problem, aber gemeinsam gelangen sie aus jeder Bedrängnis.
Wolkow bezaubert mit überbordender Phantasie, eleganter, leicht
altmodischer Sprache und sicherem Gespür für Spannung,
Witz und Pointe. Die großartigen Illustrationen Leonid Wladimirsks
ergänzen den Text harmonisch und erzeugen eine ganz eigene
Poesie.
Glücklicherweise
beschränkte sich A. Wolkow nicht auf die Nacherzählung
der ersten Geschichte um Elli und ihre drei Freunde, sondern entwickelte
die Handlung weiter und schuf fünf neue, mindestens ebenso
spannende und phantastische Abenteuer rund um das Zauberland. Für
diese Fortsetzungen griff er zwar auch auf die Folgebände des
OZ-Zykluses zurück, entwickelte die einzelnen übernommenen
Motive jedoch mit einer Fabulierfreude, die die Vorlagen übertrifft.
Mit der Figur des Urfin gelang es Wolkow beispielsweise, einen Gegenspieler
für die bekannten "Helden" zu schaffen, der diesen
- durch seine liebevolle Charakterisierung - durchaus ebenbürtig
war.
Die erfolgreiche Buchreihe wurde (wird?) von mehreren Autoren fortgesetzt,
von denen der produktivste Nikolai Bachnow ist. Es gelingt ihm,
mit seinen spannenden Geschichten durchaus zu überzeugen. Auch
er griff auf "neue" OZ-Motive zurück, und die Bände
faszinieren durch ihre Liebe zu den Figuren. Allerdings muss man
sich fragen - muss denn wirklich jede Geschichte erzählt werden,
oder wäre es nicht besser der Phantasie jedes einzelnen überlassen,
welche Abenteuer der Scheuch, der eiserne Holzfäller, der Löwe
und all die anderen Figuren sonst noch so erlebten ... (?)
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