Rezension von Torsten
Kühler, 15.11.2005
Bearbeitungen bekannter Bücher sind bekanntermaßen eine
heikle Angelegenheit. Im Kinder- und Jugendbuchbereich ist es allerdings
schon zur Tradition geworden, Klassiker anderer Literaturgattungen
kindgerecht aufzubreiten. Wieso nun aber ein gern und viel gelesenes
Kinderbuch als kindgerechter präsentiert wurde, erklärt
sich nur schwer.
Im Zuge einer Vertiefung des Sortiments hat sich der Leipziger
Kinderbuchverlag leiv dazu entschlossen, verstärkt Vorlesebücher
zu verlegen. Nun traf es mit " Der Zauberer der Smaragdenstadt"
auch einen Klassiker, der aus der Kinder- und Jugendliteratur der
DDR gar nicht mehr wegzudenken ist, obwohl es sich dabei genau genommen
nur um einen Import aus dem Bruderland Sowjetunion handelte. Heraus
kamen 3 Bücher die als Zauberland-Bilderbücher neue Käuferschichten
erschließen sollen:
- "Die Reise nach Smaragdenstadt"
- "Goodwin, der grosse und schreckliche Zauberer"
- "Das Geheimnis des goldenen Hutes"
Die Geschichte ist bekannt: Das kleine Mädchen Elli wird in
ein Zauberland verschlagen und der einzige, der ihr helfen kann,
nach Hause zu kommen, ist ein mächtiger Zauberer. Auf dem Wege
zu diesem trifft sie 3 neue Freunde. Gemeinsam meistern die 4 Gefährten
mehr Gefahren, als sie sich je erträumt hätten.
Die Handlung wurde für die Neuausgabe als Bilderbuch dreigeteilt
und gleichzeitig gestrafft, damit man dem kindlichen Zuhörer
jeweils ein ganzes Buch zum Schlafengehen vorlesen kann. Der Knackpunkt
dieser Bearbeitung ist allerdings der, dass sie unnötig war,
da sich die Originalausgabe bereits gut vorlesen ließ. Hinzu
kommt eine wenig kindgerechte und manchmal etwas altbackene Sprache,
die sogar beim Vorlesen für Irritationen sorgt ["im Tann",
"messerscharfe Hauer", "das schickte sich nicht",
"spornstreich lief er", …]. Ungewöhnliche Verniedlichungsformen
["Öfchen", …] fielen ebenso auf.
Erheblich unangenehmer als die Textfassung fallen die inhaltlichen
Änderungen auf. Elli muss um nach Hause zu kommen, drei Geschöpfen
ihren sehnlichsten Wunsch erfüllen. Teilweise wirkt sie daher
im Laufe der Geschichte wie ein kleines selbstsüchtiges Biest,
das die anderen 3 Gefährten regelrecht "einsammelt".
Es bleibt auch völlig unverständlich, wrum der Holzfäller
sich unbedingt ein Herz wünscht. Die letzte Seite des 1. Buches
["Die Reise nach Smaragdenstadt"] wartet dann mit einem
Logikfehler auf, als die Freunde "endlich dann am Nachmittag"
in der Smaragdenstadt ankommen, obwohl sie schon lange vorher von
deren Bewohnern begrüßt worden waren. Der Titel des 3.
Bandes "Das Geheimnis des goldenen Hutes" verspricht ein
völlig anderes Abenteuer, ist doch der goldene Hut nur ein
eher unwichtiges Utensil, da die fliegenden Affen keineswegs im
Mittelpunkt der Geschichte stehen. Dass Goodwin sich im Ballon von
einem Sturm nach Kansas zurücktragen lassen will, wirft zumindest
die Frage auf, wo er den der herzaubern will. Als denn Elli zum
2. Mal die fliegenden Affen ruft, fällt auf, dass das 1. Mal
den Kürzungen zum Opfer fiel. Alles in allem sind diese Unstimmigkeiten
unerfreulich und machen deutlich, wie unnötig der Eingriff
in den Text eigentlich war. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl
kleinerer Änderungen, diese müssen hier aber nicht aufgezählt
werden, stellvertretend sei erwähnt, dass das Zauberland nun
hinter den 7. Bergen liegt, Totoschka nur noch Toto aber das Eichhörnchen
dafür Quirr heißt.
Die Dreiteilung und der Eingriff in den Textumfang (meist durch
Kürzung) verändern leider auch die Gewichtung einiger
Szenen. So wirken bspw. das Kapitel mit dem Menschenfresser oder
der Tod der Hexe Bastinda wesentlich grausamer als im Gesamtkontext
des ursprünglichen Buches "Der Zauberer der Smaragdenstadt".
Es bleibt auch völlig auf der Strecke, dass der Scheuch, der
Eiserne Holzfäller und der Löwe, der Erfüllung ihrer
Wünsche auf der langen Reise immer näher gekommen sind,
da sie immer wieder dazu gelernt haben.
Die farbenprächtige Doppelseite am Anfang (und auch am Ende)
des Buches präsentiert uns - aller Gewohnheit zum Trotz - nicht
die gewohnte Karte, sondern die wichtigsten Figuren des 1. Abenteuers
im Zauberland. Das sieht sehr gut aus und ist insbesondere für
Kinder geeignet, um die letzte Geschichte nochmal zu rekonstruieren.
Die Illustrationen der eigentlichen Geschichte sind allesamt bekannt,
teilweise aber ummontiert und hinterlassen vor allem im 2. Buch
einen unangenehmen Eindruck. Da der Hintergrund dieser nicht mit
dem Farbton der Seiten übereinstimmt, entstehen unansehnliche
graue Kästen. Ein besonders hässliches Beispiel ist Seite
10 im 2. Buch mit dem Angriff der Wölfe.
Einige Illustrationen wurden auch mehrfach verwendet, einmal sogar
seitenverkehrt auf 2 gegenüberliegenden Seiten. Die auf Seite
24 im 2. Buch dargestellte Szene mit dem Löwen und dem Feuerball
im Thronsaal kommt in der gekürzten Fassung textlich gar nicht
vor.
Die Illustrationen im 2. Buch, S. 26, S. 28, S. 31 und im 3. Buch
S. 7, S. 9 stammen aus dem Buch "Goodwin
der Schreckliche" von Sergej Suchinow.
Dass in den Büchern nicht darauf verwiesen wird, dass es sich
immer jeweils nur um ein Drittel der gesamten Geschichte handelt,
ist angesichts des Preises von je 9,90 Euro aus Kundensicht nicht
nachzuvollziehen.
Der Versuch die Geschichte vorlesbarer zu machen, war völlig
unnötig und ist aus meiner Sicht gescheitert. |